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Bankensysteme in Osteuropa

Autor: Kern, Holger
Fundstelle: Bankwissenschaftliche Schriftenreihe, Band 83
ISBN: 3-85136-036-2
Verlag: Bank Verlag Wien / Verlag Orac, Wien 1996, 248 Seiten

Preis: 45,06


Dipl.-Vw. Dr. Holger Kern, Vice President, Monitor Company,
Maximilianstraße 14, D-80539 München

Mit den zu Beginn der 90er Jahre begonnenen Reformen in Osteuropa haben sich auch die Bankensysteme dieser Staaten verändert. Konnte man zuvor, in der sozialistischen Wirtschaft dieser Länder, von Mono- oder einstufigen Bankensystemen sprechen - mit einer Zentralbank die zugleich die wichtigste Geschäftsbank darstellte - so haben alle ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas versucht, ihre Bankensysteme in zweistufige umzustellen. Allerdings haben sich die Bankenmärkte entsprechend den politischen und wirtschaftlichen Umständen und der damit verbundenen Nachhaltigkeit der Transformationen in diesen Ländern entwickelt.

Der Weg zu einem zweistufigen Bankensystem, so wie wir es aus Westeuropa kennen, mußte in Osteuropa zumeist über einen sog. Trial-and-error-Prozeß gegangen werden, da man, ebenso wie bei der Transformation der Wirtschaft, keine Erfahrungsberichte aus anderen Staaten zur Verfügung hatte. Allerdings läßt sich im nachhinein eine gewisse Struktur der Transformationsschritte in allen Staaten Osteuropas nachvollziehen - wobei allerdings die zeitliche Abfolge unterschiedlich war. So wurden im allgemeinen zu Beginn die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um überhaupt ein zweistufiges Bankensystem etablieren zu können. Dem folgend wurden die Geschäftsbankenfunktionen aus der ehemaligen Zentralbank ausgegliedert und auf neu gegründete oder bereits bestehende Geschäftsbanken transferiert. Gleichzeitig wurde die Zentralbank, die in vielen osteuropäischen Ländern Nationalbank heißt, auf die klassischen Funktionen einer Zentralbank zurückgestutzt. Danach ließ man die Gründung privater Banken zu, wobei man in vielen Ländern die Eintrittsbarrieren so niedrig ansetzte, daß dadurch von Anfang an ein gefährliches Potential an möglichen Konkursfällen produziert wurde.

Allerdings wurde den neu gegründeten Banken auch von staatlicher Seite die Arbeit erschwert, da die Regierungen vieler Reformstaaten versuchten, die alten Spezialbanken und die neu entstandenen Geschäftsbanken aus der Zentralbank so weit wie möglich zu unterstützen und gegen Konkurrenz aus dem In- und Ausland abzusichern. Dabei vergaß man aber, trotz aller Bemühungen einer Säuberung der Bilanzen dieser Banken mittels des Tausches von Staatsbonds gegen schlechte Aktiva, Rekapitalisierungsanstrengungen oder Debt-Equity-Swaps mit Unternehmen, daß gerade die Staatsbanken einen großen Nachholbedarf an Know-How hatten. Dies insbesondere im Bereich der internen Struktur, der Produktpalette, der Aktiv-Passiv-Steuerung und der Kreditprüfung. Dies nutzten nach und nach ausländische Bankinstitute, die in osteuropäischen Staaten leichte Gewinne bei gleichzeitig geringem Risiko erzielen konnten. Zudem lernten viele inländische Unternehmen den wesentlich besseren Service ausländischer Banken schätzen und wechselten die Bankverbindung, womit sie aber gleichzeitig wieder das inländische Bankensystem schwächten und es noch verwundbarer machten.

Gerade die Bankenreform ist einer der wichtigsten Bestandteile der wirtschaftlichen Transformation der Länder Osteuropas, da vor allem der Bankensektor mittels einer effizienten Steuerung der knappen Ressourcen den Reformprozeß entscheidend verändern kann. So haben Kreditinstitute allgemein die Aufgabe, Unternehmen mittels der Vergabe von finanziellen Mitteln auf ihrem Weg zu begleiten und kontrollierend bei etwaigen Abweichungen einzugreifen - sofern es sich um ein Universalbankensystem handelt - wie in den meisten Reformstaaten Osteuropas - und nicht etwa um ein Trennbankensystem.

Mit der vorliegenden Arbeit sollen nun die Entwicklungen in den Bankensystemen von elf osteuropäischen Staaten und Griechenlands untersucht werden. Griechenland wurde deshalb in diesen Kreis mit aufgenommen, da auch in Griechenland lange Zeit Teilstrukturen sozialistischer Bankensysteme vorlagen, die erst mit der Anpassung an westeuropäische Standards, insbesondere die EU-Bankenrichtlinien, abgeschafft wurden. Bei den anderen Staaten handelt es sich um die vier Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei, die ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien, Bulgarien, Rumänien, die Russische Föderation, die Ukraine und Estland, als dem sich am besten entwickelnden Staat des Baltikums. Dabei wird in den jeweiligen Artikeln nicht nur die Entwicklung nachgezeichnet, sondern es wird vor allem die momentane Lage im Bankenmarkt untersucht, wie z.B. die Konkurrenzsituation oder die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen.

Das Werk erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit - dazu ist das Geschehen bei weitem zu komplex, um es auf durchschnittlich 15 Seiten zusammenfassen zu können - doch wird ein tieferer Eindruck für den momentanen Entwicklungsstand des Bankensystems und der dahinterliegenden Probleme gegeben, die in ihrer Komprimiertheit gerade für Praktiker von großer Bedeutung sind. Dabei ist natürlich zu beachten, daß es sich um eine Momentaufnahme der Situation handelt, die sich aufgrund der Entwicklungsgeschwindigkeit relativ schnell verändern kann. Dennoch ist gerade das Verständnis der gegenwärtigen Situation die Grundlage aller Zukunftseinschätzungen. Genau dafür möchte dieses Buch eine Basis bilden.