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Die BWG-Novellen

Autor: Zakostelsky / Lucius (Hrsg.)
Fundstelle: Bankwissenschaftliche Schriftenreihe, Band 85
ISBN: 3-85136-040-0
Verlag: Bank Verlag Wien / Verlag Orac, Wien 1997, 176 Seiten

Preis: 34,88


Vst.-Dir. Mag. Andreas Zakostelsky,
Raiffeisenlandesbank Steiermark reg.Gen.m.b.H.,
Dr. Auner-Straße 8, A-8011 Graz;
Mag. Otto Lucius (Hrsg.),
Österreichische Bankwissenschaftliche Gesellschaft,
Wallnerstraße 3/5, A-1010 Wien

Eines der Schlagworte des letzten Jahrzehnts war “Deregulierung”. Deregulierung, Liberalisierung und Globalisierung hatten es unter anderem auch den Kreditinstituten ermöglicht, ihr Geschäft grenzüberschreitend auszudehnen. Nur allzu schnell wurde aber der - verständliche - Ruf nach dem “level playing field”, den gleichen Spielregeln für alle, laut. Wettbewerbsverzerrungen sollten beseitigt, Aufsichtsdefizite ausgeglichen werden. Dies erforderte neue Regelwerke bzw die Angleichung bestehender. Die Europäische Rechtsharmonisierung tat das ihrige, und nun müssen wir uns eigentlich fragen, ob aus der Deregulierung nicht in Wahrheit eine Re-Regulierung geworden ist.

Blicken wir doch nur auf die Geschichte der Kreditwesengesetzgebung in Österreich. Als das in der Nachkriegszeit noch immer geltende reichsdeutsche Kreditwesengesetz durch das österreichische Kreditwesengesetz 1979 abgelöst wurde, sprach man von einem “Jahrhundertgesetz” - ein großer Wurf, mit dem alle Probleme auf lange Zeit gelöst wären. Diese Jahrhundertgesetz regelte alle Aspekte des Bankgeschäfts in 37 Paragraphen. Bereits 1986 gab es zum Jahrhundertgesetz eine “Jahrhundertnovelle”. Damit waren dann aber wirklich alle Probleme gelöst! Oder doch nicht?

Immerhin befinden wir uns in einer schnellebigen Zeit. Also trat folgerichtig bereits 1993 ein neues “Jahrhundertgesetz” in Kraft - das sogenannte Bankwesengesetz. Pikanterweise galt in einer Zeit, als alle Kreditinstitute ungeachtet ihrer Rechtsform als Sparkasse oder Kreditgenossenschaft “Banken” zu sein hatten, ein Kreditwesengesetz. Als dann im Zuge der europäischen Bankrechtsharmonisierung der Oberbegriff “Kreditinstitut” üblich wurde, galt bei uns ein Bankwesengesetz. Um die Sache für Nichtjuristen noch etwas zu verwirren, wird man im Bundesgesetzblatt vergeblich ein Bankwesengesetz suchen; man findet lediglich ein Finanzmarktanpassungsgesetzes, dessen Artikel I als Bankwesengesetz bezeichnet wird. Für uns interessant ist der Umstand, daß dieses Bankwesengesetz bei weitem nicht mit etwa drei Dutzend Paragraphen auskam, sondern bereits 107 Paragraphen aufwies.

Als dieses neue Jahrhundertgesetz in Kraft trat, wurde seitens der Aufsicht ehrlicherweise auch angekündigt, daß von nun an alle 1 bis 2 Jahre mit einer Novelle zu rechnen sei. Daß die “erste große BWG-Novelle” erst Mitte 1996 in Kraft trat, ist lediglich politischen Rahmenbedingungen zuzuschreiben. Mit 1.1.1997 trat dann die sogenannte “zweite große BWG-Novelle” in Kraft, welche im wesentlichen Teile der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und die Kapitaladäquanzrichtlinie umsetzte. Ein Charakteristikum dieser Novellen ist die “kreative Lust” an der Vermehrung der Paragraphen, ohne die Numerierung zu ändern: man schafft neben einem § 93 ganz einfach einen § 93a; reicht a) nicht, kann man wie zB beim § 26 auch das b) nehmen; im Extrem kann man ja das Alphabet ausschöpfen. Beinahe geschafft hätte man dies mit dem § 22, der um die §§ 22a bis 22o bereichert wurde. Um es kurz zu machen: In etwa 15 Jahren wurde die Anzahl der Paragraphen im Kerngesetz verdreifacht, nach weiteren 3 Jahren hat sich die Paragraphenzahl gegenüber 1979 beinahe vervierfacht.

Zu diesem rein quantitativen Aspekt kommt noch ein qualitativer Gesichtspunkt: Bisher sprach ich nur von der sogenannten ersten bzw zweiten großen BWG-Novelle. In Wahrheit gab es aber mehr als ein Dutzend BWG-Novellen, direkt als solche bezeichnet oder indirekt in andere Gesetze verpackt. Nicht einmal der Kodex Banken- und Börserecht, 3. Auflage mit Stand 1.3.1997, gibt die korrekte Zahl der Novellen wider: Zum Stand Jänner 1997 gab es bereits 14 Novellen; dazu kamen 1997 noch 2 weitere!! Diese - eher erschreckende - Einsicht verdanke ich der Bankenaufsicht im Finanzministerium; auf dieser Basis war es mir auch möglich, ohne tausende Seiten des BGBl wälzen zu müssen, eine Übersicht über alle BWG-Novellen zusammenzustellen (siehe unten). Daß dies nicht viel mehr als eine Momentaufnahme sein kann, muß allen klar sein: schon steht mit der Novelle des BörsG eine weitere Novelle zum BWG ins Haus.

Beide Aspekte - die Vervielfachung der “Paragraphen” wie auch die Vielzahl und Unübersichtlichkeit der Änderungen haben gravierende Auswirkungen. Zum einen ist die Aufsicht selbst überfordert. Schon in den achtziger Jahren, als es noch vergleichsweise wenig zu beaufsichtigen gab, war man sich des Engpasses an personellen Ressourcen bewußt. Aus diesem Grund wurden Bankprüfer als “verlängerter Arm” der Aufsicht eingesetzt, die OeNB wurde sukzessive in die Agenden der Aufsicht - wenn auch sehr indirekt - einbezogen. Auf der anderen Seite muß bei den Staatsbediensteten gespart werden. Beide Trends - Einsparung und Explosion der Überwachungsaufgaben - sind einander diametral entgegengesetzt und führen unweigerlich zu einer verschärften Haftungsproblematik für die Bandenaufsicht.

Andererseits muß auch festgehalten werden, daß 16 Änderungen innerhalb von knapp vier Jahren (!!) zu einer extremen Rechtsunsicherheit führen. Wenn nicht einmal mehr Autoren des Kodex (eine im BMF beschäftigt, einer Dozent an der Uni Wien) die korrekte Zahl der Änderungen angeben und so eine möglicherweise unvollständige Wiedergabe des BWG riskieren, so ist es höchste Zeit, das Bankwesengesetz wieder zu verlautbaren. Einer der Autoren dieses Bandes stellt in seinem Beitrag denn auch fest: “Diese Art der Gesetzesproduktion ... ist nicht mehr entschuldbar”.

Hier von einem Geschäftsleiter zu verlangen, immer den aktuellen Stand der Rechtslage zu wissen, ist pure Überforderung (Es ist ja nicht einmal sichergestellt, daß alle Regulatoren den jeweiligen Letztstand zur Verfügung haben). Nun steht außer Streit, daß die Banken möglichst ertragreich geführt werden sollen. Dies erfordert die Konzentration auf strategische Aspekte, auf die Wettbewerber, die Produktinnovation und auf die Ausnützung aller sich bietenden Chancen. Wenn jedoch ein Großteil der Kräfte durch administrative Arbeiten gebunden ist - von der Explosion der diversen Meldepflichten sei hier gar nicht gesprochen -, dann wird deutlich, welch hervorragende Arbeit von Österreichs Banken geleistet wird, so gut im Wettbewerb bestehen zu können.

Zusammenfassend bleibt zu hoffen, daß die de-facto-Reregulierung ihr Ende gefunden hat und daß den Banken (oder korrekt Kreditinstituten) mehr Zeit als bisher bleibt, dem eigentlichen Geschäft nachzugehen. Ein zweiter Aspekt sei hier nur am Rande erwähnt: Während die Geschäftstätigkeit der Kerngruppe im Finanzdienstleistungsbereich, der “Kreditinstitute” also, immer umfassender geregelt wird, tauchen laufend neue Anbietergruppen bei Finanzdienstleistungen auf, die keine Kreditinstitute sind. Es gilt das Augenmerk darauf zu richten, daß nicht die Kreditinstitute im Würgegriff der Regulierung stecken, während non-banks nahezu unbehelligt von allzuviel Regulierung Konkurrenz machen können. Hier gilt es wahrlich, ein “level playing field” herzustellen!

Ich habe schon erwähnt, daß mit der “zweiten großen BWG-Novelle” vor allem die Kapitaladäquanzrichtlinie umgesetzt worden ist. Diese Regelungen für sich sind so kompliziert und erklärungsbedürftig, daß ihnen im Rahmen der Bankwissenschaftlichen Schriftenreihe ein eigener Sammelband gewidmet ist. Der vorliegende Band 85 beschränkt sich weitgehend auf die Änderungen des Bankwesengesetzes bis zur 2. BWG-Novelle. Dabei war es von Anfang an die Intention der Herausgeber, keineswegs einen ausgefeilten Kommentar zu schaffen. Vielmehr sollten praxisrelevante Probleme von Praktikern für Praktiker in leicht lesbarer Form erläutert werden.

Dabei galt es eine Auswahl zu treffen, welche Änderungen so wichtig für die tägliche Arbeit sind, daß sie eine Bearbeitung rechtfertigen: So spannt sich der Bogen von der Neuregelung der Großveranlagung und der Gruppe verbundener Kunden über Fragen der Konzernrechnungslegung, der Anonymität, der Konsumentenschutzbestimmungen oder des Risikomanagements bis hin zur Neuregelung der Einlagensicherung. Die Beiträge sind dabei zur leichteren Übersicht und Einordnung nach den entsprechenden Paragraphen des BWG gereiht. Daß Fragen der Eigenmittelunterlegung fehlen, erklärt sich daraus, daß beinahe 99% aller Abänderungen der Eigenmittelbestimmungen durch die 2. große BWG-Novelle erfolgten und im Band 86 behandelt werden.

Mein Mitherausgeber, Mag. Andreas Zakostelsky, und ich hoffen, Österreichs Kreditwirtschaft mit diesem Buch ein handliches Werk für den täglichen Gebrauch vorzulegen. Den Autoren, die aus nahezu allen Sektoren der Kreditwirtschaft kommen, sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt. Mit diesem Dank verbinden wir die Hoffnung, daß dies für längere Zeit das letzte Werk zu BWG-Novellen sein möge!